Dezember 10, 2017

Warum die Blockchain-Technologie zur Königsdisziplin der Kommunikation werden kann

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Wer von sich behaupten kann, derzeit mehr Aufmerksamkeit als Donald Trump auf sich zu ziehen, der ist tatsächlich in aller Munde. So geschehen mit Bitcoin, der bekanntesten unter den digitalen Währungen, die unlängst den US-Präsidenten mit Blick auf Google-Suchanfragen überholt hat, wie Reuters berichtete. Hinter der digitalen Währung Bitcoin steht die sogenannte Blockchain-Technologie, die nicht wenige als die größte technologische Revolution seit dem Internet preisen. Aufgrund ihrer enormen Komplexität und ihrem zugleich enormen Potential kann sie auch für Kommunikatoren zur Königsdisziplin werden.  

Bis vor kurzem verhielt es sich mit der Blockchain-Technologie ein wenig wie mit dem Internet in den frühen Neunzigern: ein ziemlich abstraktes Konzept, ein Nerd-Thema, schwierig zu erklären und kaum zugängliche Nutzer-Anwendungen. Die Blockchain-Technologie, die die Grundlage für Bitcoin und hunderte weitere sogenannte Kryptowährungen ist, war und ist noch immer das Betätigungsfeld einer kleinen, aber rasant wachsenden digitalen Elite, die ähnlich wie zur Gründerzeit des Internets mit enormer Vorstellungskraft und Expertise an althergebrachten Besitzständen rüttelt. Im zurückliegenden Jahr 2017 ist das Thema Blockchain, befeuert durch die Kursexplosion des Bitcoin und anderer digitaler Währungen, nun erstmalig in den Fokus massenmedialer und damit breiter gesellschaftlicher Wahrnehmung geraten. Max Mustermann und Lieschen Müller sprechen jetzt in der Supermarktschlange über Bitcoin.
 

Bitcoin ist nur die Spitze des Eisbergs

Doch wer nun Bitcoin und Blockchain bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen wähnt, der urteilt ein wenig voreilig. In Analogie zur Frühphase des Internets ist der Bitcoin in etwa mit der E-Mail zu vergleichen – eine erste greifbare Nutzererfahrung, die veranschaulicht, was da in Zukunft möglich ist, ein spannendes Gesprächsthema auch für jene außerhalb der Tech-Bubble, jedoch kaum mehr als die aus dem Wasser ragende Spitze eines riesigen, unter der Oberfläche schlummernden Eisbergs. Warum also ist dieses Thema für Kommunikatoren relevant? Dafür gibt es zwei Gründe: Der naheliegende ist, dass technologische Innovationen, die es als Gesprächsstoff in die Wohnzimmer der Republik geschafft haben, nicht zuletzt von denjenigen verstanden werden sollten, deren originäre Aufgabe es ist, Themen wohnzimmergerecht aufzubereiten. Der zweite und gleichzeitig gewichtigere Grund ist jedoch, dass sich mit der Blockchain-Revolution eine epochale Veränderung des gesellschaftlichen Setups anbahnt, die mithin auch die kommunikative Spielfläche radikal verändern wird.
 

Blockchain – Was ist das eigentlich?

Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert die Blockchain als eine „dezentrale, chronologisch aktualisierte Datenbank mit einem aus dem Netzwerk hergestellten Konsensmechanismus zur dauerhaften digitalen Verbriefung von Eigentumsrechten“ – schwere Kost. Übersetzt heißt das in etwa Folgendes: die Blockchain ist ein für jeden einsehbares Register, in dem jede Transaktion innerhalb eines Netzwerks gespeichert ist. Dieses Register ist enorm sicher. Warum? Weil sie nicht von einer zentralen Instanz, sondern von allen Teilnehmern des Netzwerks verwaltet wird. Transaktionen werden dezentral durch die Netzwerkteilnehmer verifiziert und abgewickelt. Dadurch wird die vertrauensbildende Mittler-Instanz – etwa eine Bank bei einer Geldüberweisung – überflüssig und es werden Peer-to-Peer-Transaktionen aller Art möglich. Die Anwendungsfälle beschränken sich dabei keineswegs auf den Finanzsektor – Blockchain-Anwendungen sind überall dort denkbar, wo bislang Institutionen als vertrauensstiftende Instanz den sicheren Austausch von Vermögenswerten oder sensiblen Daten zwischen verschiedenen Parteien verantwortet haben. Die Vorteile sind vielfältig: die Blockchain-Technologie gilt als sicherer, effizienter, schneller und kostengünstiger als bestehende, zentralisierte Formen der Transaktionsabwicklung. Entsprechend investieren immer mehr etablierte Unternehmen in die Erforschung der Technologie und experimentieren mit konkreten Use Cases. Im sogenannten R3-Konsortium etwa haben sich inzwischen mehr als 160 Unternehmen zusammengeschlossen, darunter Weltkonzerne wie Microsoft oder Intel, um gemeinsam Blockchain-Lösungen zu entwickeln. Gleichzeitig sprießt eine Vielzahl von Startups aus dem Boden, die fieberhaft an Blockchain-basierten Anwendungen basteln.
 

Was hat Blockchain mit Kommunikation zu tun?

Kommunikation hat die Aufgabe, höchstkomplexe Dinge lieschenmüllergerecht aufzubereiten. Diese Aufgabe ist kein Selbstzweck, sondern sie dient dem Ziel, Vertrauen in Produkte, Technologien, Unternehmen oder Personen bei relevanten Zielgruppen auf- und auszubauen, um so einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu erringen. Damit dies gelingen kann, müssen Kommunikatoren verstehen, nach welchen Mechanismen sich öffentliche Meinung bildet, welche Akteure die Meinungsbildung beeinflussen und in welchen Arenen sie stattfindet. Ob Buchdruck, Radio, Fernsehen oder Internet – In der Geschichte waren es immer wieder technologische Innovationen, die die mediale und somit kommunikative Spielfläche radikal verändert haben. Das Internet etwa hat den globalen Austausch von Informationen ohne Intermediäre möglich gemacht. Wo einst Medien und Journalisten als Gatekeeper fungierten, erwuchs in nur wenigen Jahren die Many-to-Many-Kommunikationslandschaft, in der theoretisch jeder Mensch mit einem Internetanschluss zu einem Massenmedium werden kann. Die nachgelagerte Entwicklung sozialer Netzwerke hat die Anforderungen, denen Kommunikation heute gerecht werden muss, neu definiert. Die Blockchain-Technologie kann mittelfristig einen ähnlich radikalen Wandel hervorrufen, denn sie öffnet den intermediärsfreien Raum für den Austausch von Werten aller Art, indem sie eine sichere Infrastruktur bietet, über die Vermögenswerte oder sensible Daten ohne die Notwendigkeit eines Mittelsmannes versendet werden können. Bislang sind es Institutionen, die in unserer Gesellschaft das Vertrauen sicherstellen, das notwendig ist, um Handel zu treiben. Wir vertrauen einer Bank, dass sie eine Überweisung in unserem Sinne ausführt. Wir vertrauen einem Notar, dass er unsere Rechtsgeschäfte ordnungsgemäß beurkundet. Wir vertrauen dem Grundbuchamt, dass es unsere Grundstücke und Immobilien verwaltet. Diese und viele weitere Institutionen können in Zukunft durch Blockchain-Anwendungen überflüssig werden – ein Bruch, der ebenso weitreichende Konsequenzen wie der Medienwandel mit sich bringen kann. Ganze Wirtschaftszweige werden in ihren altbekannten Funktionen obsolet, das Akteursgefüge verändert sich grundlegend und wir als Gesellschaft werden lernen müssen, dass künftig immer häufiger Technologie anstelle von liebgewonnenen Institutionen die notwendige Sicherheit für Transaktionen aller Art schafft.
 

Wie entsteht in Zukunft Vertrauen?

Der Kommunikation fallen dabei unterschiedliche Aufgaben zu. Sie muss das Abstraktum Blockchain greifbar und begreifbar machen, sie muss maximale Komplexität in einfache, eingängige Erzählungen verwandeln, sie muss um Deutungshoheit ringen und nicht zuletzt schnellstmöglich verstehen lernen, nach welchen Mechanismen Vertrauen in einer Gesellschaft entsteht, wenn nicht länger Institutionen wie etwa Banken oder Ämter als vertrauensbildende Projektionsfläche dienen. Der Erklärbedarf ist riesig, der Markt auch. Längst sprießen insbesondere im angelsächsischen Raum erste spezialisierte PR-Agenturen aus dem Boden, die sich nur und ausschließlich auf die Beratung von Blockchain-Startups und die Kommunikation von Blockchain-Projekten fokussieren. Entsprechend kann die sich anbahnende Blockchain-Revolution zu einem goldenen Zeitalter für Kommunikatoren werden, ist es doch ihre Aufgabe, das Neue mithilfe von Sprache in die Welt zu tragen und so Zukunft für möglichst viele zugänglich zu machen. Aufgrund ihrer enormen Komplexität und ihrem gleichzeitigen enormen disruptiven Potential kann sich die Blockchain-Kommunikation in den kommenden Jahren daher zur Königsdisziplin unserer Zunft entwickeln.

Nils Langhans ist Autor und selbstständiger Kommunikationsberater. Seit November arbeitet er für hypr.