Mai 15, 2019

Let’s go vertical! Wie vertikale Videos alles verändern und wieso das gut ist

vertical

Ich weiß noch, was es damals für einen Aufschrei gab, als sich bedingt durch die Snapchat Stories immer stärker vertikale Videos durchsetzten. Man würde ja auch niemals einen Kinofilm in diesem Format schauen, lautete eines der (sinnlosen) Gegenargumente. Ich hingegen war von Anfang an sehr begeistert von von der Nutzung dieses Formats, denn es offenbart komplett neue Möglichkeiten.

Nicht gedreht, nicht geschüttelt

Zunächst sollte man sich das Potenzial von vertical Videos verinnerlichen.

Unser neuer bester Freund trägt den Namen X, P20 oder Pixel 3 und stammt aus dem Hause Apple, Huawei oder Google. Das Smartphone ist unser treuer Begleiter und zudem die Zentrale unseres täglichen Medienkonsums geworden. Dabei halte ich das Gerät zu 90% der Zeit vertikal, einfach aus Gewohnheit. Und ich sehe es nicht ein, es für irgendein Video zu kippen. Da sind mir auch die schwarzen Balken ober- und unterhalb auf YouTube egal.

Volle Achtsamkeit voraus

Genau deshalb funktionieren die ganzen Stories so gut, da sie die natürliche Haltung für sich nutzen und das Display des Smartphones vollflächig füllen. Was ich als Achtsamkeitsfan ebenfalls an diesem neuen Format liebe: Die Produktion von Hochkant-Videos erfordert nun deutlich mehr Achtsamkeit, da das Hauptmotiv im Fokus stehen muss. Einfach draufhalten und am Ende zuschneiden funktioniert hier nicht mehr.

Ich mag das. Ich mag es, wenn bekannte Verhaltens- und Konsummuster aufgebrochen werden und uns zum Handeln zwingen. Denn durch den Zwang entsteht oft auch etwas vollkommen Neues, Kreatives.

100 Jahre Filmgeschichte für die Tonne – die neuen Spielregeln

Der brasilianische Filmemacher Michael Izidoro formuliert es recht drastisch: „Wenn wir heute ein vertikales Framing schaffen wollen, müssen wir 100 Jahre Filmgeschichte aus dem Fenster werfen.“ Dass das Ganze funktionieren kann, zeigte Paul Ripke in Lena Meyer-Landruts neuem Musikvideo, dass komplett mit dem 9-16-Format spielt. Das Besondere sind für mich dabei nicht die Aufnahmen, sondern dass es endlich mal jemand umgesetzt hat und den vertikalen Rahmen inhaltlich sinnvoll nutzt.

Halten wir fest: Vertical Video wirft alles, was wir über den Bildaufbau gelernt haben, über den Haufen. Und ich finde einen weiteren Aspekt spannend: Das Format assoziiert für mich zunächst mehr Nahbarkeit, da man es aus den eher privateren Instagram- und Snapchat-Stories kennt. Natürlich sind die vertikalen Inhalte dadurch nicht authentischer, da niemand vor einer Kamera zu hundert Prozent authentisch ist. Aber das Gefühl auf der Couch noch schnell ein paar Stories der Freunde und Familie durchzuklicken, kommt bei diesem Format definitiv auf.

Was ich nicht sehen möchte: Horizontal ausgelegte Videos, die man irgendwie umständlich in das Hochkantformat quetscht. Das wirkt meist nicht nur wie ein Kompromiss, sondern sieht oftmals auch einfach schlecht aus. Der Zuschauer merkt diesen “Hack” sehr schnell. Stattdessen sollte man die Vorteile des Formats nutzen.

Vertikale Videos bieten beispielsweise perfekte Platzierungsmöglichkeiten für Text oben oder unten, ohne dass dieser das Motiv wirklich beeinträchtigt. Durch das vollflächige Füllen des Bildschirms gibt es weniger Ablenkungen durch Kommentare. Wie eingangs erwähnt liegt in diesen Fällen die gesamte Aufmerksamkeit auf dem vertikalen Video und somit auch auf der Marke und deren Botschaft.

Gekommen, um zu bleiben

Natürlich werden vertikale Videos das horizontale Format nicht verdrängen. Das gilt auch für Inhalte allgemein. Manche eignen sich besser für Twitter, andere wieder nur Instagram. Das Medium entscheidet über das Format und es ist für mich nur eine Frage der Zeit, bis Netflix eine Serie im 9:16-Format veröffentlicht. Damit würde Netflix auch der Tatsache Tribut zollen, dass Serien eben nicht mehr nur zuhause auf dem Sofa am großen Bildschirm konsumiert werden, sondern zunehmend auch mobil.

Vertikale Videos bieten 2019 für Brands und Unternehmen die Möglichkeit, das Format für sich zu gewinnen und somit eine First-Mover-Stellung einzunehmen. Allgemein wünsche ich mir weitere vertikale Videos wünschen, die wie Lena in ihrem Musikvideo mit den Möglichkeiten spielen und zeigen, dass die Kritiker falsch liegen. Denn genauso wie unser Smartphone sind vertikale Videos gekommen, um zu bleiben.


Ein Beitrag von @philippsteuer